Pachtvertrag gekündigt - wegen eines formalen Fehlers?

Fachbeitrag im Mietrecht

Pachtvertrag gekündigt – wegen eines formalen Fehlers?

Miet- oder Pachtverträge sollen beiden Parteien Sicherheit bieten. Doch was geschieht, wenn der Verpächter eine kleine formale Lücke ausnutzt, um den Vertrag zu kündigen und gleichzeitig eine deutlich höhere Pacht durchzusetzen? Ist das rechtlich zulässig, oder widerspricht es dem Grundsatz von Treu und Glauben?

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hat sich mit genau dieser Frage in seinem Urteil vom 3. Juli 2024 (Az.: 12 U 56/23) auseinandergesetzt. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für langfristige Miet- und Pachtverhältnisse – besonders dann, wenn Nachtragsvereinbarungen nicht korrekt dokumentiert wurden.

Kündigung wegen Formfehlern – nur, um höhere Pacht durchzusetzen?

Im Mittelpunkt des Falls stand ein Tankstellengrundstück, das seit 2005 verpachtet war. Der ursprüngliche Vertrag wurde mehrfach durch Nachträge verlängert:

  • 2014: Laufzeitverlängerung bis 2023
    2016: Zusätzliche Option auf Verlängerung bis 2028

Der Pächter investierte erhebliche Summen in die Pachtsache und übte 2021 sein Optionsrecht auf Verlängerung aus. Genau zu diesem Zeitpunkt kündigte der Verpächter das Pachtverhältnis – mit Verweis auf einen Formfehler.

Hintergrund: Der Verpächter wollte die Pacht verfünffachen. Als der Pächter sich dagegen wehrte, suchte er einen anderen Weg, ihn aus dem Vertrag zu drängen:

  • Er argumentierte, dass die Nachtragsvereinbarungen nicht der gesetzlichen Schriftform (§ 550 BGB) entsprachen.
  • Seiner Ansicht nach fehlte eine lückenlose Bezugnahme auf alle vorherigen Vertragsänderungen.
  • Daraus folgerte er: Der Pachtvertrag sei unbefristet und daher jederzeit ordentlich kündbar.

Der Pächter hielt dies für treuwidrig. Schließlich hatte er erhebliche Investitionen getätigt, die durch die Kündigung verloren gewesen wären. Die entscheidende Frage: Konnte er sich vor Gericht durchsetzen?

OLG Schleswig: Kündigung des Pachtvertrags ist rechtmäßig

Das Gericht gab dem Verpächter recht und erklärte die Kündigung für wirksam.

Nachtragsvereinbarungen hielten die gesetzliche Schriftform nicht ein
  • § 550 BGB verlangt eine lückenlose Bezugnahme auf alle vorherigen Vertragsänderungen.
  • Die Nachträge verwiesen jedoch nur auf den ursprünglichen Vertrag, nicht auf frühere Änderungen.
  • Damit war der gesamte Vertrag formunwirksam.

2. Vertrag galt als unbefristet

  • Ein Miet- oder Pachtvertrag, der nicht schriftformkonform dokumentiert ist, gilt nach § 550 BGB als unbefristet.
  • Das bedeutet: Er kann jederzeit unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist beendet werden.
  • Der Verpächter konnte den Vertrag daher ordnungsgemäß zum März 2022 kündigen.

3. Kündigung war nicht treuwidrig

  • Der Pächter argumentierte, die Kündigung diene lediglich der Durchsetzung einer höheren Pacht.
  • Das Gericht entschied jedoch: Wirtschaftliche Interessen allein machen eine Kündigung nicht treuwidrig.
  • Selbst umfangreiche Investitionen des Pächters schützen den Vertrag nicht automatisch vor einer formwirksamen Kündigung.

Fazit: Auch wenn eine Kündigung wirtschaftlich motiviert ist, kann sie rechtlich zulässig sein, solange die vertragliche Schriftform nicht eingehalten wurde.

Was bedeutet das für Pächter und Mieter?

Für Pächter und langfristige Mieter:

  • Stellen Sie sicher, dass alle Vertragsänderungen korrekt und vollständig schriftlich festgehalten werden.
  • Jede Nachtragsvereinbarung sollte lückenlos auf alle vorherigen Änderungen Bezug nehmen.
  • Bei größeren Investitionen in die Pachtsache empfiehlt es sich, vertraglich zu regeln, dass eine Kündigung wegen Formmängeln ausgeschlossen ist.

Für Verpächter und Vermieter:

  • Eine unvollständige Schriftform kann unter Umständen die Möglichkeit bieten, sich von einem langfristigen Vertrag zu lösen.
  • Eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen ist grundsätzlich zulässig, solange der Pächter dadurch nicht in existenzielle Not gerät.
  • Künftige Vertragsänderungen sollten präzise formuliert und sorgfältig dokumentiert werden, um spätere Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.

Zentrale Erkenntnisse aus dem Urteil

  • Nachträge müssen eindeutig sein: Jeder Vertragsnachtrag sollte klar auf alle bisherigen Änderungen Bezug nehmen.
  • Formfehler können teuer werden: Schon ein kleiner Fehler in der Schriftform kann dazu führen, dass ein ursprünglich langfristiger Vertrag jederzeit kündbar ist.
  • Treuwidrigkeit schwer zu begründen: Solange die Kündigung den Pächter nicht existenziell gefährdet, gilt sie als rechtmäßig.
  • Neue Regelung ab 2025: Ab dem 1. Januar 2025 ersetzt die Textform die bisherige Schriftform (§ 578 Abs. 1 BGB). Trotzdem bleibt es wichtig, dass Verträge frühere Vereinbarungen klar referenzieren, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Was tun, wenn eine Kündigung wegen Formmängeln droht?

Handeln Sie sofort, wenn:

  • Der Verpächter plötzlich eine drastische Mieterhöhung oder Pachtsteigerung durchsetzen möchte.
  • Eine Kündigung mit Verweis auf die Schriftform ausgesprochen wird.
  • Hohe Investitionen in die Miet- oder Pachtsache gefährdet sind.

In solchen Situationen ist eine schnelle rechtliche Prüfung entscheidend.
Mögliche Handlungsoptionen können sein:

  • Nachträgliche Heilung der Formfehler.

  • Verhandlungen mit dem Verpächter, um eine einvernehmliche Lösung zu erreichen.

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